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Work hard, not smart

"Deiner Frisur nach zu urteilen könntest du schwul sein, aber du bist in Ordnung. Ich leg' beim Käpt'n ein gutes Wort für dich ein."

Es gibt schmeichelhaftere Komplimente, aber mit eben jenen Worten fing eine wohl eher einzigartige Zeit nicht nur für meine Reisen, sondern auch für's Leben an.

Raue Ausdrucksweise, die Rede von einem "Käpt'n" - klarer Fall, es geht um Seefahrt!

Schon zu Anfang meiner Zeit in Australien wusste ich von der Möglichkeit, als Reisender zur entsprechenden Saison bei der Krabbenfischerei bei Darwin, Nordaustralien, mitzumachen. Viel Geld in kurzer Zeit, genau was Vagabunden wie ich brauchen! Zeitlich das krasse Gegenteil vom Zitronenbaum bei dem ich nach der täglichen Arbeitszeit nie so recht wusste, wozu der Tag eigentlich 24 Stunden hat - auf einem Schiff lebend und arbeitend würde das alles deutlich anders aussehen.

Aus Albany reiste ich ohne dem Fahrrad nach Perth und flog kurzerhand nach Darwin um dort mein Glück bei den Seeleuten zu versuchen. Es war noch mitten in der Regenzeit und es herrschte entsetzliche Schwüle bei großer Wärme, sodass man nichteinmal einkaufen gehen konnte ohne nassgeschwitzt zurück im Hostel anzukommen. Jeden Tag 4-5 Liter Getränke einkaufen gehen müssen, weil das Leitungswasser dreckig ist. In Perth war es völlig verchlort, in Darwin hat man einfach aufgegeben. Oder es nie versucht, wer weiß das schon?

Darwin wimmelt von obdachlosen Ureinwohnern, den "Aboriginees", welche das Stadtbild weitesgehend sogar bestimmen anstatt nur nebenbei aufzufallen.

Abseits der Stadtmitte finden sich bedingt durch die Küstennähe und der tropischen Region die entsprechenden Strände mit allerlei zu erwartenden Anblicke wie zum Beispiel farbenprächtige Sonnenuntergänge.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Erster Tag im Duck Pond, "Ententeich" auf Deutsch, wo all die Schiffe für die Fischerei anlegten und bereits in Vorbereitung auf die kommende Saison für Bananen-Garnelen waren.

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Die Auswahl war groß, dort lagen deutlich mehr Schiffe der selben Art als ich mir gedacht habe. Im ersten Moment recht ziel- und hilflos, wo und zu wem ich denn nun am besten hingehen sollte blickte ich mich ersteinmal um und sah mir die Schiffe genauer an - bin ja auch bekannt dafür, mich mit Schiffen bestens auszukennen, weil ich ja schon 10 Jahre Seefahrt mitgemacht habe! ...nicht? :)

Überall waren bereits Seeleute und Hafenarbeiter damit beschäftigt, die Flotten auf Fordermann zu bringen. Als Arbeiter deutscher Art weiß ich zumindest wie blöd es ist, wenn man unter Stress noch (von Unbekannten) vollgequatscht wird, also suchte ich mir fix das Schiff mit dem augenscheinlich entspanntesten Personal und stellte meine zahlreichen Fragen.

Überraschend bereitwillig nahm man sich die Zeit, mir vom Oberdeck von einem der Kutter die Antworten herunterzubrüllen und erzählte mir noch einiges mehr:

Meine Informationen (von denen es nicht viele gab) waren korrekt, lediglich mein Auftritt kam angeblich reichlich spät. Der Großteil der bereits anwesenden lungerte bereits seit drei Wochen vor Ort herum, ich sollte aber dennoch mein Glück versuchen; es steigen ständig Leute aus und es entsteht neuer Bedarf. So auch der Wortlaut von dem Personalchef der deutlich größten Fischerei im Hafen, welcher sich angesichts seiner Position vor Ort ebenfalls erstaunlich viel Zeit für mich nahm.

"Versprechen kann dir hier niemand was; wenn du dich bereits herumgehört und die Kapitäne und Maats gefragt hast und nichts bekommen hast, bleib bis zum Tag der Abreise hier täglich präsent."

Gesagt, getan. Eine Woche lang ging ich den immer gleichen Leuten mit den immer gleichen Fragen 2-3x pro Tag auf die Nerven. An einem Tag mit apokalyptischem Regenfall, der jegliche Arbeit im Hafen lahm legte, wurde für alle Anwesenden die ohnehin obligatorische Sicherheitseinweisung in den Beruf abgehalten. Weil ich auch anheuern wollte und im Erfolgsfall jene Einweisung auch brauchen würde, genug Platz da war und ich sowieso grad im Hafen war, nahm man mich eben mit dorthin. Zwei oder drei Tage später der Erfolg:

Chris, Kapitän der "Senhora de Fatima", Teil der Flotte eines der kleineren Unternehmen bat mich darum mich den Jungs vorzustellen und für 'ne Stunde oder zwei zur Hand zu gehen und zu gucken was ich so oberflächlich davon halte. Faktisch half ich nur dem Ingineur dabei, seinen Maschinenraum aufzuräumen und zu reinigen, aber das sollte mir kein Stein im Weg sein. Wir schafften Platz und schrubbten sowohl den Boden als auch Teile der Maschinerie...mit Säurereiniger. Welcher den Weg durch Abflüsse nach Draußen nimmt. Ins Hafenbecken. #Australien

Besonders witzig dabei: der Ingineuer goss besagten Säurereiniger sogar über einen Schaltschrank und tat meinen skeptischen Blick mit einer eiligen Handgeste ab. Sicher, Säure auf der Platine einer elektrischen Steuereinheit in einem Maschinenraum is' sicherlich kein Problem! Aber mir konnte das ja völlig egal sein:

Marc ("Bull"),  welcher außerhalb der Fischereisaison im thailändischen Kinderfickerparadies Pattaya lebt, legte mit anfangs beschriebener Ausdrucksweise die für mich wichtigen, guten Worte beim Kapitän ein - und damit war ich angeheuert!

Diese gute Nachricht verbreitete im Hostel direkt gute Stimmung; man hat im Kontext zu meinen großen Reiseplänen mit mir mitgefiebert und gehofft ich würde Erfolg haben. Die Aussage stand: ich verlasse an diesem Datum Darwin mit einem Schiff oder einem Flugzeug. Dort bleiben und versuchen an Land etwas zu machen war keinerlei Option bei der Tropenkacke.

Nun war klar wie ich Darwin verlassen würde und es blieben noch zwei Tage bis wir auslaufen würden. Reichlich Material zur Verpackung der gefangenen Garnelen wurde eingeladen und es zeichnete sich schnell ab, wie auf einem Schiff gearbeitet wird: in einer Kette! Es ist schlichtweg kein Platz da, um einzeln beladen mit Sonstwas aneinander vorbei zu marschieren, also wird üblicherweise alles durch die Gegend gereicht.

Das Team:

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Chris ("Turkey"), der Kapitän, Marc der Ingineur,...

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..."Shorty", der Maat (seinen echten Namen habe ich nie erfahren),...

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...Carla ("Mum"), unsere Köchin aus Argentinien, ebenfalls auf Reisen, ich und noch zwei andere Deckmatrosen, Australier, an die ich keinerlei Erinnerung behalten möchte, weswegen es auch kein Foto gibt.

Ja, mir ist tatsächlich das Blödeste widerfahren, was einem im Zusammenhang mit "leben auf engstem Raum" widerfahren kann: ein nicht unbedeutender Anteil an Menschen, bei denen man sich wundert, dass sie wirklich mal das schnellste Spermium waren und sich gruselt bei der Vorstellung, was bei den Konkurrenzsamen wohl entstanden wäre.

Drei Tage vor Saisonstart liefen alle Schiffe aus, luden noch Nahrungsmittel ein, tankten Frischwasser und Diesel und machten sich auf den Weg zum Golf von Carpentaria in dem der Wahnsinn wohl zu starten pflegt. Die Tage wurden genutzt um bereits im Vorfeld etliche Hundert Kartons zur Verpackung der gefangenen Garnelen vorzubereiten und mehr oder weniger griffbereit einzulagern.

Am 1.4. war es dann soweit. Alle 50 Schiffe, die von der Regierung in diesem Jahr eine Genehmigung zur Teilnahme an der Saison erhielten, nahmen ihren Betrieb auf. Bei Carla und mir, beide unerfahren, herrschte große Aufregung; alles war neu! Die bis dahin verrichteten Arbeiten an der Ausrüstung basierten vor Allem auf Zugucken, denn ohne Erfahrung ist auf einem Schiff dieser Art alles einfach nur eine Mischung aus "überall Seile", "überall Stahlseile", "überall Ketten", "überall Seile, die Stahlseile sichern, damit die Ketten nicht von Bord fallen" und so weiter. Und Netze.

Als dann alles in Aktion beobachtet werden konnte, fügten sich die Puzzleteile zusammen und die größte Hilflosigkeit war schnell abgebaut.

Wie genau läuft die Krabbenfischerei nun also ab?

Im groben: einige Leute an Bord und auch ein Spähflugzeug suchen mit dem unbewaffneten Auge nach den "Mud patches", Matschflächen, wenn man so will. Die Garnelen leben in Kolonien und wirbeln Schlamm vom Meeresboden auf und heben sich damit vom sonst klaren Wasser mehr als nur deutlich ab. Dorthin wird das Schiff dann gesteuert, die Netze werden zu Wasser gelassen und über den Meeresboden gezogen um die Kolonien einzufangen. Das Schiff fährt dann einige Serpentinen durch die riesigen Matschflächen und wenn es aussieht als wären die Netze voll, werden sie an Bord gezogen und ausgeleert. Ob die Netze gefüllt sind ist nur mit Erfahrung zu erkennen: die Netze werden an der Überfläche entlang gezogen und an der Tiefe auf die die Netze dabei dennoch sinken erkennt der erfahrene Krabbenfischer Füllstand und grob auch die Zusammensetzung des Fangs, denn es landet weitaus mehr als nur Garnelen im Netz. Sinkt ein Netz tief ein, ist es voll und außerdem reich an Garnelen, denn diese haben keine Schwimmblasen wie die Fische des Beifangs, welche kräftig Auftrieb erzeugen und die Netze dicht an der Oberfläche halten. Manchmal sind die Netze nach 4 Serpentinen voll, manchmal lässt der Kapitän sie satte 12 mal auf den Meeresgrund sinken. Man weiß vorher nie, was genau man fangen wird.

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Bilder von den laufenden Prozessen gibt es nicht - sobald es einmal los ging, waren kein einziger Augenblick für soetwas zu entbehren. Von der ersten Bewegung der Netze und Vorbereitung der Verpackung bis zur Nachbereitung ist ununterbrochen zu tun und keine Zeit für Fotographie.

Der Fang wird in einer Art Becken ausgeleert, von wo aus nach und nach etwas davon über Fließbänder auf auf einem Sortierband verteilt wird. Dort bedienen sich dann 2-4 Leutchen dem Beifang und sortieren ihn aus.

"Beifang" bedeutet konkret: dutzende verschiedenster Fische, wovon die wenigsten essbar sind aber ALLE Stacheln haben und einige auch giftig sind, Stachelrochen (tödliches Gift), Seeschlangen (tödliches Gift), Würfelquallen (tödliches Gift), große Krebse, junge Haie.

Die Netze sind mit sogenannten TEDs (Turtle Exclusion Device, auf deutsch Schildkrötenausschlussgerät) ausgestattet, einem eingeflochtenen Gitter, an dessen Seite das Netz auf ist und alles was zu groß ist regelrecht rausdrängt. Also bereits ausgewachsene Haie, Schildkröten und natürlich Delfine, von denen uns reichlich begleiteten. Das alles, was klein genug ist, dieses Gitter zu durchqueren, lag nunmal auch auf diesem Sortierband. Bei all dem giftigen Vieh was dort im Wasser lebt wundert es nicht zu hören, dass in der letzten Saison jemand durch einen Seeschlangenbiss um's Leben kam. Er starb noch an Bord, kurz bevor der Rettungshubschrauber eintraf. Dass ich diese Zeilen schreiben kann liegt maßgeblich daran, dass ich meine Finger und Füße von entsprechend tödlichem Getier fernhalten konnte - zumindest weitesgehend. :)

Die vom Beifang getrennten Garnelen, zu 99% längst tot, werden dann nur noch in vorgefaltete Kartonschalten zu 5, 10 oder 13kg gerakt und aufgestapelt. Ist der komplette Fang verpackt oder der Stapel zu groß, werden die gezählten Kisten in einem Schockfroster gefroren, bevor sie nach einigen Stunden in den großen Gefrierraum bei -40°C gelagert werden bis der Raum voll ist und abgeladen wird - entweder am Mutterschiff, in Karumba (irgendein Kaff im Golf) oder in Darwin. Gestreckt haben sich all diese Prozesse auf Zeitdistanzen unterschiedlichster Länge. Alle Extreme waren vertreten: ganze Tage gar nichts, ein paar kleinere Fänge, zwei oder drei normale Fänge und auch Megafänge wegen denen der ganze Tag drauf ging. Anstatt gemütlich zum Frühstück geweckt zu werden, schreckte ich also auch mal vom Lärm der Kabeltrommeln für die Netze, welche grad für den ersten Fang herab gelassen wurden hoch und musste ohne Frühstück und Zähneputzen an Deck, während der Arbeit randmäßig den Sonnenaufgang mitbekommen, auch das Mittagessen auslassen (Arbeit ist wichtiger als Gesundheit!), randmäßig den Sonnenuntergang mitbekommen und beim gnädigen Abendessen feststellen, dass wir über 13 Stunden ohne erwähnenswerte Pause durchgearbeitet haben.

Unter'm Strich lief es aber tatsächlich eher gemütlich ab. Direkt der zweite Tag der Saison fiel komplett aus, denn eine Steuereinheit im Maschinenraum funktionierte nicht mehr. Genau die, die eine Säuredusche bekam. Jaja...australische Ingineure. Um ein neues Gerät zu bekommen mussten wir irgendwo im Gebiet der Ureinwohner vor Anker gehen, mit einem Beiboot an Land und an einem Flugfeld für Schulkinder (richtig gelesen, keine Bushaltestelle sondern ein Flugfeld) auf einen Flieger mit unserem Ersatzteil warten. Ein schöner Tag in der wohl krokodilverseuchtesten Region des Landes. :) Was man auf einem Schiff (?) nicht alles mitmacht.

So ähnlich ging die Saison immer weiter. Technische Schwierigkeiten versemmelten ganze Tage und addierten sich zu einer ganzen Woche innerhalb von vier Wochen - Tage komplett ohne Fang (3 oder 4) noch nicht mit drin!

Also war es letztendlich gar nicht so wild, erst Recht nachdem ich mich eingewöhnt hatte und die Füße nicht mehr vom Meerwasser überall an Deck wund scheuerten. Das Essen war auch ganz ok (typisch australisch zum Frühstück erstma 'n leckeres Stück Lammkotelett und ähnlich wenig sinnvolles).

Das einzige und wirklich große Problem waren ausgerechnet Menschen. Wie so oft.

Ich hab es bereits angemerkt, das mieseste was bei solchen Sachen passieren kann ist, dass man diejenigen, mit denen man zusammengepfercht ist nicht ausstehen kann, bzw. sich gegenseitig nicht. Wie kam es dazu? Nun, ganz einfach.

Australien hat abgesehen von der normalen Schule und nicht renommierten Universitäten kein Bildungssystem. Handwerker aller Art, auch Friseure und Köche, Industrielle, etc., alle machen ihre Arbeit vollkommen ungelernt. "Learning by doing", komplett ohne Berufsausbildung und Berufsschule. Dementsprechend versteht man die Wichtigkeit hinter dem Faktor "Lehren" beim Vorgang "Lernen" nicht. Konkret bedeutet dies, dass man mir praktisch gar nichts beigebracht hat. In 4 Wochen hat man mir nichts wirklich gezeigt, man hat mich und Carla behandelt als hätten wir viel Erfahrung und alles etliche Male gemacht, obwohl deutlich gemacht wurde, dass wir sowas zum ersten Mal machen. Gleichzeitig keinerlei Verständnis für Fehler und ineffiziente Arbeitsvorgänge; ständig wütendes Gebrülle wenn etwas nicht (schnell genug) ging. Das natürlich vor dem Kontext, dass die meisten Kommandos gar nicht ankamen: ich habe in Jahren der wilden Partynächte in lauten Tanzclubs keinen Gehörschutz für nötig gehalten - auf dem Schiff schon. Man hat Musik laufen lassen (was ich gut fand!), nur leider so laut, dass es weh tat. Also Gehörschutz rein und dumme Kommentare dazu ignoriert. Australisch akzentierte Kotze gab Kommandos durch die Lautstärke der Musik mit Seefahrtsbegriffen die man vorher nie irgendwo sonst gehört haben kann - klar, dass man dann schonmal "HÄ?!" fragen muss. Dann war natürlich(!) immer der Gehörschutz schuld, auch wenn ALLE wegen der Lautstärke immer einmal "HÄ?!" machen mussten. Ab der dritten Woche wurde die Musik übrigens leiser, man war es ganz allgemein leid. Idiotenvolk.

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