
Die Abgründe australischer Kulturferne und Bildungslosigkeit wurden jedoch noch deutlich bunter ausgeschmückt und offen zur Schau gestellt.
Einer der Kollegen, 55 Jahre alt, nie etwas gelernt, fährt sonst nur LKW wenn er keine Krabben fischt, sollte angesichts seines Alters eine gewisse Ruhe und Reife entwickelt haben.
Hat er nicht.
Die Kartons hatten in etwa das passende Gewicht, wenn man sie bis zum Rand voll gemacht hat. Ich musste dann nur wenig dazu tun oder etwas raus nehmen. Das einfach so zu machen wäre sinnvoll, für den alteingesessenen Kollegen aber zu einfach: er lies die Kartons stets überlaufen, sodass die Garnelen an Deck lagen und er, immer barfuß unterwegs, in sie hinein trat. Bananengarnelen haben eine Art hornige Klinge an der Stirn. Regelmäßig fing der Kollege also wutentbrannt an, eine gerade zermatschte Garnele, welche dabei seinen Fuß aufschlitzte vom Deck aufzusammeln um sie dann souverän wieder zu Boden zu werfen. Es dem längst toten Ding so richtig gegeben.
#Australier
Damit nicht genug, die Kartons waren so übergelaufen natürlich auch unnötig schwer, mehr als 2kg extra pro Karton! Addiert sich schön hoch, wenn ein Fang über 3 Tonnen schwer ist und damit nach Adam Riese 300 Kartons voll gemacht werden. Diese 2kg pro Box musste ich ihm natürlich zurück bringen, damit er sie WIEDER irgendwo überlaufen ließ...und was kommt, wenn man diese..."Umstände" zu kritisieren wagt?
"Ich mach das so seit 35 Jahren, das muss nich geändert werden!" Eigentlich war's ja amüsant zu beobachten. Wie Affen im Zoo, lautstark um Bananen kämpfend.
#Australier
Der andere Kollege selber Geisteshaltung, lediglich 20 Jahre jünger. Mit Mitte 30 völlig verdorbene Arbeitsweise, alle haben die 10 oder 13kg schweren Kartons schön aus dem gebeugten Rücken heraus durch die Gegend gereicht, denn es geht ja schneller! Der Stapel aus 100 Kartons ist 'ne halbe Minute schneller im Schockfroster! Dafür kann man schonmal einen Bandscheibenvorfall riskieren, wie der Ingineur weiß. Und der 55 Jahre alte Schimpanse, dessen halber Rücken bereits künstlich ist was ihn so viel Geld gekostet hat, dass er eigentlich nur noch arbeitet, um seinen mit der stets gleich gebliebenen, selbstzerstörerischen Arbeitsweise zu finanzieren.
#Australier
Das Abladen war immer eine besondere Form der Arbeit: selten arbeitet man bei -40°C und mir als Hobbyskandinavier hat das Spaß gemacht. :) Den Australiern leider nicht. :(
Über 30 Tonnen gefrorene Kartons mussten aus dem Laderaum an Deck und von dort von Bord. Zu meiner Überraschung war man so weit entwickelt mobile Fließbänder dafür zu verwenden. Hat der Maat, welcher damit eigentlich nie was zu tun hatte großzügig seine Hilfe angeboten, haben die beiden Nobelpreisträger von Kollegen sich tatsächlich lautstark darüber beschwert. Man sei nicht so schwach, dass man Hilfe bräuchte. Kannste dir nicht ausdenken, sowas...
#Australier
Shorty der Maat und Chris der Kapitän sind coole Socken. Null Probleme; beide haben angesichts ihrer Positionen an Bord eine gewisse Bildung genossen und hebten sich allein deswegen schon massiv von den Primaten aus meinem Kollegium ab. Gute Unterhaltungen mit Kerlen, die selbst bereits viel in der Welt herum gekommen sind, nicht nur die immer selben Geschichten von LKW Fahrten bei denen viele Kängurus erwischt wurden. Shorty war neben mir leider der einzige an Bord mit Wertschätzung für Freiheit von Lungenkrebs. Alle anderen...naja.
Bei Marc dem Ingineur musste man nur wissen, wie man ihn nehmen musste. Irgendwie ein Hells Angels Typ, Vollblutrassist (genau wie die zwei anderen Matrosen mit mir an Deck). "Auf Tasmanien hat man damals die Ureinwohner ausgerottet - man hätte dort nicht stoppen sollen." Fährt 'ne dicke Harley, hat sich Schrauben vor die Schultern tätowiert um zu zeigen, dass er sich niemandem beugt (das ist schon wieder kreativ). Aber doch helle genug, um ein Schiff zu betanken.
Carla war irgendwie niedlich. Den ersten Tag erschöpft von der Arbeit aber noch fröhlich meinte sie, wir müssen bei der Arbeit mehr mitsingen und etwas tanzen, südamerikanische Arbeitsweise halt. Einen Tag nachdem wir dann das Steuergerät im Maschinenraum ausgetauscht und den Betrieb wieder aufnahmen lag sie abends nach der Arbeit vor Erschöpfung weinend im Bett und wimmerte "sie könne nicht mehr". Naja.
Zwischendurch kamen wir mit anderen Schiffen in Kontakt und ich konnte mir ansehen, wie die anderen Schiffe funktionierten, also wie die Arbeitsabläufe konstruktionsbedingt vonstatten gingen und wie die Crews zusammengestellt waren. Ich war auf dem Schiff mit dem mit Abstand höchsten Durchschnittsalter, alle anderen Schiffe waren voll besetzt mit coolen, jungen Leuten die bei der Arbeit offensichtlich viel mehr Spaß hatten. Und die Senhora de Fatima war scheinbar ein Auslaufmodell, im Vergleich mit den anderen Schiffen war auf ihr vieles eher unglücklich konstruiert.
Nach genau 4 Wochen war mir die gesamte Atmosphäre an Bord viel zu sehr vergiftet als dass es mir noch hätte Spaß machen können, doch das Geld stimmte definitiv, also wollte ich weiter machen. Immer wenn wir ein prall gefülltes Netz hatten ließ ich mir "Das da...das finanziert meine Zeit in (hier Land einfügen)!" durch den Kopf gehen. Also alles nur eine Frage der Motivation. :)
Im Golf kam die Fischerei zum Ende und die Flotten wechselten via Darwin zum Abladen in den Westen. In der Nacht in der wir in Darwin zum Abladen angelegt hatten lief bei mir allerdings das Fass über, die Kakerlaken von "Bogans" (so werden Australier auch genannt, einfach mal bei YouTube gucken) haben es entgültig übertrieben und weil wir gerade in Darwin waren war es einfach zu angenehm von Bord zu gehen. Ein kurzer Wortwechsel mit dem Kapitän und die Sache war für mich durch. Ausgerechnet die zwei Schwachköpfe waren diejenigen, mit denen ich mit Abstand am meisten Zeit zusammen hängen musste; Positionsbedingt eben. Auch das viele Geld was ich noch die letzten 4 Wochen der Saison verdienen können war das, was ich dort mit diesem Pack mitmachen musste nicht wert.
Im Duck Pond, dort, wo ich vor über 4 Wochen noch nach diesem Job gesucht hatte, lagen einige andere Schiffe und einige der Leute erkannten mich wieder.
"Cool, du hast es noch geschafft!" meinten einige. Kurz überlegte ich zu fragen, ob auf irgendeinem der Schiffe was frei geworden ist, denn das ist, was ständig passiert: Leute springen mittendrin ab, fast alle weil "zu harte Arbeit". Ich war nur einer von einer ganzen Reihe die aufgegeben hat, ich hatte allerdings meine persönlichen Gründe. Chris, Shorty, Carla und Marc haben mich noch freundlich verabschiedet und sich bedankt, die zwei Bogans hatten sichtliche Freude daran mich gehen zu sehen. Ich habe dann nicht geguckt, nochma woanders anheuern zu können, alles was ich wollte, war auf Abstand zu Australiern zu kommen.
Blöd gelaufen, das Ganze. So wie ich das hier nun dargestellt habe klingt das beinahe unglaublich, ist aber ungeschönt wahr. Nur so als Kontext; damit man sich auch vorstellen kann, dass ein Volk wirklich so blöde sein kann: Suchbegriff "Großer Emukrieg".
Eine Perle der australischen "Geschichte": 1932 bedrohten 20.000 Emus die Getreidefelder Westaustraliens. Mit allem, was die Kriegstechnik damals zu bieten hatte (auch Maschinengewehre) zog man gegen flugunfähige Laufvögel in den Krieg - und hat verloren.
Nachdem Millionen in Munition gesteckt wurden um auch nur 3000 Emus zu töten musste man aufgeben und kam endlich auf die Idee einen Zaun aufzustellen.
#Australier
Also ging ich auf Abstand zu Australiern. Letztes Jahr im Juni war ich nach einem Jahr in Asien sowas von Reif nach Australien zu gehen und Asien hinter mir zu lassen. Nun war ich soweit nach Asien zu gehen um mich von Australie(r)n zu erholen! Der Flieger ging von Darwin mal eben um die Ecke nach Bali, einem bekannten, indonesischen Urlaubsparadies, wenn man so will.






Eigentlich ist Bali nur sowas wie der Ballermann für Australier. Vor allem im Zentrum herrschen Party, Drogen und Prostitution vor, doch sobald man von dort weg kommt lassen sich viele Schätze finden :)
So habe ich es mir dort 2 Monate lang bei jeder Menge gutem Essen, kühlen Getränken, fantastischen Tauchgründen und vor allem einer Sache, die es in Australien ganz bestimmt nicht gibt: KULTUR, gut gehen lassen.
Seitdem sind auch wieder drei Wochen vergangen und ich habe mein Fahrrad aus Albany abgeholt, es nach Kalgoorlie, der bekanntesten Minenregion gefahren und gehe nun demnächst in der Umgebung von Perth neuer Arbeit nach.
Das Ding mit der Seefahrt hätte echt besser laufen können und ich habe es mir deutlich schöner vorgestellt. Keinerlei naive Seefahrtsromantik, niemals ging ich von sowas aus wie, dass wir den halben Tag fröhlich irgendwelche Seemannslieder trällern oder sonstwas. Aber das, was auf diesem Schiff los war toppte wirklich alles was ich je erlebt habe im negativen Sinne. Doch es hat sich definitiv gelohnt, das erzielte Einkommen hat ebenfalls alles getoppt - diesmal jedoch positiv. :) Umso blöder, dass ich die selbe Menge verschmäht habe, aber es ging nunmal nich. Aber es ist ja noch Zeit!
Angepasst an die jahreszeitlichen Begebenheiten der Länder und Kontinente die da noch kommen, könnte ich hier eh noch nich weg, selbst wenn ich die Kohle schon hätte. Aber es sieht gut aus, alle Zeichen stehen auf "Erfolg" - das (finanzielle) Ziel ist in Reichweite und vielleicht gibt es sogar noch eine Sahnehaube oben drauf :)
Ein gutes halbes Jahr werde ich noch meist arbeitend verbringen müssen, dann wird "Alles Neu" wieder zu dem, was es vor einem Jahr mit meiner Ankunft hier in Australien aufhörte zu sein - die Geschichte einer großen Reise um unsere schöne Welt mit all ihren Kulturen.
